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Immer in Bewegung

100 Jahre Dürener Kreisbahn 1908-2008

Der erste Tag unserer Elektrischen

* Düren, 7. Oktober
Man behauptet nicht zu viel, wenn man berichtet, daß der gestrige Dienstag für unsere Stadt ein Feiertag war, zum allermindesten ein halber. Sonntagsstimmung war jedenfalls ganz vorhanden. Sie äußerte sich besonders in gesteigertem Verkehr in den Straßen und den fröhlichen Mienen, die wahrhaft Festesfreude strahlten. Auf dem Marktplatz war eine Art Volksversammlung gewissermaßen in Permanenz erklärt; ihr Publikum wechselte zwar fortdauernd, aber immer aufs neue stellten die Redner fest, daß die elektrische Bahn tadellos sei und daß sie tadellos funktioniere. Es herrschte in dem Urteil über die neueste Verkehrserrungenschaft also vollständige Einstimmigkeit. Was das gegenüber öffentlichen Angelegenheiten bei uns in Düren bedeutet – das bedarf nicht der genaueren Erklärung. Genug: das Unglaubliche – gestern wurde es Ereignis.
Einen direkten Beweis für die allgemeine Zufriedenheit lieferte die Benutzung der Straßenbahn. – Wie bereits kurz mitgeteilt, war schon gestern Morgen starker Andrang; in der Mittagsstunde steigerte er sich so, daß einzelne Wagen bis zum letzten Platz besetzt waren, nachmittags hielten diese günstigen Verhältnisse an und am Abend gab es fast nur noch ganz gefüllte Wagen.

Mit diesen euphorischen Worten berichtet der Zeitungsredakteur von den ersten Fahrten der Dürener Straßenbahn am 6. Oktober 1908. Jenes Datum markiert mithin offiziell die Gründung der Dürener Kreisbahn.

Begonnen hatte die ganze Geschichte aber schon viel früher. Mit der Eröffnung der Bahnstrecke Köln - Aachen Anfang September 1841 war Düren das Tor zur weiten Welt geöffnet. Davon profitierte in erster Linie das heimische Gewerbe, in seinem Gefolge aber auch die Industrieorte entlang der Rur, vor allem natürlich die Stadt Düren, und ihre Bevölkerung. Mit der Inbetriebnahme der Strecke Düren - Heimbach war Düren endgültig zu einem Knotenpunkt des überregionalen Eisenbahnnetzes geworden.

Was jetzt noch fehlte, war die innere Erschließung des Kreises Düren. Damit hatten die Nachbarkreise z.T. schon längst begonnen, allein in Düren tat man sich schwer. Nur der privaten Initiative Dürener Industrieller war es zu verdanken, dass ab 1893 eine Dampfstraßenbahn ihren Betrieb auf der kurzen Strecke Düren - Birkesdorf aufnahm.
Das Beispiel machte Schule. 1895 diskutierte der Kreistag ausführlich ein Projekt „Kleinbahnen im Kreis Düren“, um es dann doch (vorläufig) wieder zu den Akten zu legen. Noch viele Anläufe waren nötig, ehe im Juli 1906 die Westdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft in Düren ein Baubüro einrichten konnte, um endlich mit den Arbeiten zu beginnen.

Der Tag der Betriebsaufnahme war, wie oben bereits geschildert, ein Festtag für Stadt und Kreis. Mit der Straßenbahn beendete die reiche Stadt eine ganze Reihe von bedeutenden Investitions- (und Prestige!-)Vorhaben wie Schlachthof, Elektrizitätswerk, Krankenhaus, Museum und Stadttheater, um nur einige zu nennen. Die im Norden und Westen der Stadt angesiedelte Industrie erhielt endlich ihren Bahnanschluss und auch die Landbevölkerung konnte jetzt viel einfacher und bequemer zum Arbeiten und Einkaufen in die Kreisstadt kommen.

Doch schon bald wurde klar, dass von der urspünglichen Idee, eine solche Kleinbahn nicht nur kostendeckend, sondern sogar gewinnbringend zu betreiben, Abstand genommen werden musste. Zu groß war der Investitions- und Unterhaltungsbedarf, auf der anderen Seite drängten Fahrgäste und gewerbliche Kunden ständig auf Senkung der Tarife. Mit der Übernahme der Dürener Kreisbahn in eigene Regie nach dem Ersten Weltkrieg war im Grunde das Eingeständnis verbunden, dass der Öffentliche Personennahverkehr (den man damals noch nicht so nannte) eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist und ausreichender Finanzierung bedarf.

Das enthob die jeweilige Leitung der Dürener Kreisbahn natürlich nicht des Gebots der wirtschaftlich sinnvollsten Organisation des Betriebes – unter Beachtung der politischen Prämissen. Darüber gab es durchaus auch immer wieder Auseinandersetzungen zwischen dem jeweiligen DKB-„Direktor“ und den Gremien des Kreises. Aber auch die von der Kreisbahn bedienten Gemeinden, die von ihr nicht bedienten Orte, oft sogar die ganze Bevölkerung nahmen regen Anteil an der weiteren Entwicklung der Kreisbahn. Besonders lebhaft war diese Diskussion immer dann, wenn es um die grundsätzliche Orientierung ging, wie etwa in den 50er und 60er Jahren bei der Stilllegung der Schienenstrecken und in den 90ern bei ihrer Reaktivierung.

Zu allen Zeiten zeigte sich vor allem eins: Dass sich die Dürener mit „ihrer“ Kreisbahn identifizierten. Dies gilt – bei aller geäußerten Kritik – für die Fahrgäste, in sehr viel stärkerem Maße aber für die Mitarbeiter. Nicht selten waren und sind mehrere Generationen einer Familie „Kreisbahner“, wird der Stolz auf die Zugehörigkeit zu dieser Institution vom Vater auf den Sohn weiter gegeben.

Das wird sich auch nicht dadurch ändern, dass sich die Dürener Kreisbahn den stark veränderten europäischen Gegebenheiten anpassen muss. Den Wettbewerb kann sie allemal bestehen – wenn man ihr eine faire Chance gibt.

 

Inhalt

Die schwere Geburt
Klein, aber fein
Die Industrie macht Dampf
Das Beispiel macht Schule
Neuer Anlauf
Es wird konkret
Baubeginn mit Hindernissen
Der große Tag


In Stadt und Land
Jülicher Kreisbahn
Die Ringbahn
Übergang zu anderen Netzen


In eigener Regie
Die Kündigung flattert ins Haus
Kein guter Start
Verkehrsvisionen


Turbulente Jahre
Ein Gutachten wirbelt Staub auf
Zeit der Konsolidierung


Harte Prüfungen
Omnibusse im „Wilden Westen“
Das langsame Sterben
Das Sorgenkind des Kreises


Jahre des Wandels
Ruhiges Fahrwasser
Gemeinsam stärker?


Aufbruch in die Moderne
Die „neue“ Kreisbahn
„Wange an Wange“
Der Sprinter
Es wächst zusammen ...
Ein neues Dach über dem Kopf


Verkehr im veränderten Europa
Das Werk wird vollendet
Schiene wird wieder eigenständig
Stille Fortschritte
100 Jahre und kein bisschen müde


202 Seiten
zahlr. Abb., 23,5 x 21,5 cm, kart.
Hahne & Schloemer Verlag, Düren 2008
ISBN 978-3-927312-93-7
Preis: 19,50 €

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